Applaudiert, gefeiert und trotzdem Tag für Tag am Limit, selten war die Pflege so im Fokus der Öffentlichkeit, wie in diesem Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 2020 zum “Jahr der Pflegenden und Hebammen” ausgerufen und es ist das Jahr der Covid-19-Pandemie.
Der Deutsche Caritasverband, der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland und der Katholische Krankenhausverband Deutschlands nahmen dies zum Anlass, um am 24. November 2020 zu einem gemeinsamen digitalen Pflegefachtag unter dem Titel #YesWeCare einzuladen. Knapp 200 Teilnehmer_innen waren dieser Einladung gefolgt und diskutierten engagiert mit Expert_innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis über die Lage und die Herausforderungen zur Stärkung der Pflegeberufe.
Neue Pflegeausbildung kein Allheimittel
Am Beginn stand ein Austausch über den Start der generalistischen Pflegeausbildung. Prof. Gertrud Hundenborn vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) machte deutlich, dass das nun eingeführte Modell letztlich eine Kompromisslösung als Ergebnis einer intensiven Debatte sei. Oft gerate aus dem Blick, dass die deutsche Pflegeausbildung damit nun endlich auch international anschlussfähig sei. Sie sprach sich zudem dafür aus, mehr als bisher lebenslanges Lernen im Blick zu behalten.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, hob hervor, die neue Pflegeausbildung sei kein Allheilmittel. Sie könne die grundsätzlichen Probleme der Pflege nicht lösen. Dennoch eröffne sie einen neuen Blick auf den Pflegeberuf. Wichtig sei, die Kompetenzen und Verantwortungsbereiche der Pflegenden auszuweiten. Zur oftmals vorgebrachten Kritik am fachübergreifenden Ausbildungsansatz sagte sie, die Ausbildung sei sehr gut darin, Kernkompetenzen zu vermitteln. Deren Anwendung müsse dann in der Praxis vor Ort gelernt werden.
In Gesundheitsberufen 44.000 Covid-19-Erkrankte
Prof. Dr. Thomas Fischer von der Evangelischen Hochschule Dresden nahm die Situation der Pflegenden angesichts der Covid-19-Pandemie in den Blick. In der öffentlichen Debatte über die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung werde zu wenig über die Schwersterkrankten und der Angehörige gesprochen. Auch so oft nicht bekannt, dass bislang 44.000 Menschen in Gesundheitsberufen selbst an Covid-19 erkrankt seien.
In der Pflegepraxis habe die Krise plötzlich Dinge ermöglicht, die vorher kaum denkbar schienen. Ein gutes Beispiel dafür sei die enge Zusammenarbeit von Akteuren über Sektorengrenzen hinweg. Auch rücke die Entlastung der Pflege durch Instrumente der Digitalisierung nun mehr in den Fokus.
Besonders wichtig seien für die Pflegenden Sicherheit am Arbeitsplatz, eine gute Bezahlung und mehr Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung. Daher wünsche er sich mehr Bildungsfreudigkeit, so Fischer, nicht zuletzt auch von den Arbeitgebern.
Gute Kommunikation und fachliche Anleitung
Aus dem St. Josefs-Hospital in Wiesbaden berichteten die stellvertretende Pflegedienstleiterin Tanja Hölper und die Studierendenkoordinatorin Petra Hennersdorf über das dort seit 2014 etablierte Freiwilligenkonzept. Wichtige Bausteine seien eine gute Kommunikation und fachliche Anleitung Freiwilligendienstler_innen der Klinik sowie regelmäßige Projekttage für sie. Ziel sei, die Freiwilligen für die Gesundheitsberufe zu interessieren und Nachwuchs zu gewinnen. Mittels Social Media werde die Freiwilligenarbeit des Krankenhauses auch öffentlich bekannt gemacht.
In einem einstündigen Workshop zu Kommunikation und Pflege betonte Sandra Mantz von der Sprachgut Akademie, dass gute Kommunikation wenig mit Zeit zu tun habe, dafür umso mehr mit Konzentration und Wachheit. Sie sprach sich außerdem dafür aus, das ständige Mangeldenken zu überwinden und Stärken mehr in den Fokus zu nehmen. Außerdem erinnerte sie daran, das regelmäßige Kommunikationstrainings auch für Führungskräfte wichtig seien.
Pflegende in einer Abwärtsspirale
Zum Abschluss des digitalen Pflegefachtags diskutierten Krankenschwester Kathrin Hüster, bei Twitter bekannt als „Sr. Unbequem“, und die pflegepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, über die Arbeitsbedingungen in der Pflege.
Kathrin Hüster berichtete aus dem Alltag, die Pflegenden seien in eine Abwärtsspirale geraten. Sie müssten immer mehr leisten in immer weniger Zeit. Darunter leide die Patientenversorgung Außerdem fühlten sie sich zunehmend als Spielball von Wirtschaftsinteressen. Dass in der Corona-Krise die Pflegepersonaluntergrenzen ausgesetzt und die Arbeitszeit erhöht worden seien, bezeichnete sie als völlig absurd.
Starke Interessenvertretung der Pflegenden nötig
Kordula Schulz-Asche forderte eine breite Diskussion zur Frage, wie die Personalnot in der Pflege zu überwinden sei. Ausreichend Personal, gute Arbeitsbedingungen und den Beruf als positiven Beitrag zur Versorgung der Patienten zu erleben, seien wichtig für die Pflegenden. Zudem kritisierte die Grünen-Politikerin, dass die Pflege mit zu vielen Stimmen spreche. Sie forderte eine starke Interessenvertretung der Pflegenden in der Öffentlichkeit.
Zum Abschluss dankten die Organisator_innen den Vortragenden und den Teilnehmer_innen für die zahlreichen Fragen, die im Rahmen der Veranstaltung gestellt und beantwortet wurden. Sie versicherten, dass der Deutschen Caritasverband und seine Fachverbände auch künftig daran mitwirken werden, die Pflege zu stärken.