20.11.2019 – Bei einem parlamentarischen Frühstück warben der kkvd, der Deutsche Pflegerat (DPR) und der Deutsche Caritasverband (DCV) in Berlin gemeinsam für ein neues Bemessungsinstrument für den Personalbedarf in der Pflege. Rund 40 Gäste waren der Einladung am 13. November 2019 gefolgt, darunter zahlreiche Abgeordnete des Deutschen Bundestages.
Bild, von links: Bernadette Rümmelin, Ingo Morell, Andreas Westerfellhaus, Franz Wagner
Zum Einstieg verwies Katrin Gerdsmeier, Leiterin des DCV-Hauptstadtbüros, auf die Tradition der Pflegeorden, aus der viele katholische Krankenhäuser hervorgegangen sind. Die angespannte Situation in der Pflege treibe heute alle um.
Franz Wagner, Präsident des DPR, mahnte eine schnelle Veränderung bei der Bemessung des Pflegepersonals an. Bei den Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) sei der Bezug willkürlich gewählt. Daher arbeite der Pflegerat gemeinsam mit der die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Gewerkschaft verdi an einem Übergangsmodell, das bis zum Jahresende vorliegen soll.
Andreas Westerfellhaus
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, verwies in seinem Bericht auf die Vorgeschichte der PPUG. Eine Ersatzvornahme durch das Bundesgesundheitsministerium sei notwendig gewesen, da sich die Selbstverwaltung aus Leistungserbringern und Kostenträgern nicht habe einigen können. Klar sei, dass alle Stationen in einem Krankenhaus pflegesensitiv sind. Richtig sei auch, nun ein Modell zu entwickeln, dass wissenschaftlich fundiert und evaluiert ist und Bestand hat. Der Vorschlag von DKG, DPR und verdi werde daher im Ministerium mit großer Aufmerksamkeit erwartet. Kernproblem sei jedoch der Fachkräftemangel in der Pflege. Um diesen in den Griff zu bekommen müssten Prozesse verändert, Interprofessionalität gefördert und die Zusammenarbeit der Gesundheitsfachberufe neu justiert werden.
Ingo Morell
Ingo Morell, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (gfo) und stellvertretender kkvd Vorsitzender, berichtete er habe die PPUG zu Beginn aktiv mitgetragen. Allerdings sei die Diskussion über Untergrenzen gestartet, als es noch genügend Pflegekräfte gab. Nun herrsche Mangelverwaltung, so dass sich die PPUG ganz anders auswirkten. Aufgrund der realitätsfernen Ausgestaltung müssten bewährte Strukturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit nun wieder aufgegeben werden. Durch die PPUG und die damit verbundenen Nachweispflichten würden immer kleinere Einheiten geschaffen und für sich betrachtet. Dies führe in der Praxis dazu, dass an einigen Stellen Überkapazitäten bestünden, während an anderen Stellen Personalnot herrsche. Man müsse weg davon kommen, die Personalbemessung statistisch zu sehen. Es sei wichtig, Flexibilität zu erhalten, so sein Appell.
Marie Sohn, Stationsleiterin auf einer Demenzstation des Alexianer St. Hedwig-Krankenhauses in Berlin, betonte, dass ihr Pflegeteam aus vielen, oft unsichtbaren Helfern bestehe, die eine tolle Arbeit leisten. Gerade Pflegehelfer mit langjähriger Erfahrung seien eine wichtige Stütze in der Praxis. Ein guter Skill-Grade-Mix sei wichtig im Team.
Marie Sohn
Als Pflegedienstleiter am St. Josef-Hospital in Wiesbaden unterstützte Arne Evers die Forderung nach einem guten Skill-Grade-Mix. Trotz Erfahrung und Kompetenz könnten durch die PPUG nun Pflegehelfer nicht mehr im Nachtdienst arbeiten. Die Pflege werde immer mehr zum Spielball. In der Praxis sei nicht ein Verhältnis Pflegekraft zu Patient von 1 zu 10 oder 1 zu 9 entscheidend. Es gehe vielmehr um die Schwere der Erkrankung und den damit verbundenen Pflegebedarf, der bei den Patienten sehr individuell sei. Aufgrund der Nachweis- und Dokumentationspflichten für die PPUG sitze er jetzt stundenlang vor Dienstplänen und Excel-Tabellen. Diese Zeit fehle ihm, um für Entlastung der Pflegekräfte zu sorgen.
Arne Evers
Schließlich stellte Prof. Dr. Patrick Jahn, per Video zugeschaltet von der Universität Tübingen, die Vorteile einer einheitlichen Personalbedarfsbemessung vor. Mit einem wissenschaftlich fundierten Instrument würden nicht Untergrenzen definiert, sondern der Personalbedarf anhand des Pflegebedarfs der Patienten ermittelt. Dies verhindere auch eine schleichende Anpassung des Pflegepersonalniveaus an statistische Minimalvorgaben. Derzeit befinde sich das Übergangsmodell, das DKG, DPR und verdi entwickeln, im Pre-Test. Grundlage sei die Pflegepersonal-Regelung (PPR), die weiterentwickelt wird. Der Pre-Test werde im Dezember abgeschlossen sein. Dann solle das Modell öffentlich vorgestellt werden.
Zum Abschluss dankte Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des kkvd, allen Referenten und den anwesenden Gästen. Sie gab mit auf den Weg, es sei wichtig, auch die Stimmen der Pflegekräfte bei der Personalbemessung zu hören. Sie hoffe, dass die Veranstaltung einen weiteren Beitrag leisten konnte, um zügig ein einheitliches Pflegepersonalbemessungsinstrument auf den Weg zu bringen.
“Fünf Argumente für ein neues Pflegepersonal-Bemessungsinstrument” als Download im PDF-Format
Fotos: Jens Jeske für den kkvd