Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V.

ECKPUNKTE ZUR KRANKENHAUSREFORM

Bund und Länder arbeiten derzeit an einem Konzept zur Krankenhausreform, das nach der Sommerpause als Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren gegeben werden soll. Eine Auswirkungsanalyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zum Reformkonzept der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ hat gezeigt, dass diese Vorschläge gravierende Auswirkungen auf das Versorgungsangebot und damit für die Patient:innen hätten.

Planungshoheit muss bei den Ländern bleiben

Die katholischen Krankenhäuser begrüßen daher, dass Bund und Länder derzeit an einem gemeinsamen Reformkonzept arbeiten. Eine Reform ist notwendig und darf nicht scheitern. Sie muss sich am Wohl der Patient:innen und am regionalen Bedarf ausrichten. Daher ist wichtig, dass die Planungshoheit bei den Bundesländern bleibt, da hier der regional unterschiedliche Versorgungsbedarf besser erfasst und berücksichtigt werden kann. Wo bundeseinheitliche Vorgaben erforderlich sind, muss es weitreichende Ausnahmen und Öffnungsklauseln geben, damit durch regionale Anpassungen die örtliche Versorgung flächendeckend gesichert wird. Zudem sind die anstehende Umgestaltung der ambulanten Notfallversorgung und das Finanzierungskonzept für ambulante Leistungen der Kliniken mit der Reform zu harmonisieren.

Maximalversorgung auch im abgestimmten Netzwerk

Durch Verbundstrukturen und in Netzwerken leisten die katholischen Krankenhäuser heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der regionalen Versorgung. Die Patient:innen können überall auf eine verlässliche Notfallversorgung sowie eine qualitativ hochwertige Medizin in einem von Zuwendung und Menschlichkeit geprägten Umfeld vertrauen. Vielerorts erbringen die katholischen Kliniken in ihren jeweiligen spezialisierten Fachgebieten Qualität und Leistungsmengen auf Maximalversorgungsniveau. Aufgrund der nicht zuletzt politisch gewollten Spezialisierung können katholische Krankenhäuser auch im abgestimmten Netzwerk die Maximalversorgung der örtlichen Bevölkerung garantieren. Am Reißbrett entwickelte Zentralisierungsstrategien beispielsweise durch die Einführung bundeseinheitlicher Versorgungs-Level würden diese wirksamen und patientennahen Versorgungsstrukturen gefährden.

Kurzfristiges Vorschaltgesetz unverzichtbar

Die anstehende Krankenhausreform ist dringend erforderlich. Die Krankenhäuser stecken aktuell in einer Finanzierungskrise. Gerade in der Kinder- und Jugendmedizin sowie in der Geburtshilfe ist dies schon lange spürbar. Wesentliche Ursache für die wirtschaftliche Krise der Kliniken ist der dauerhafte Rückgang der Zahl der stationär versorgten Patient:innen nach der Corona-Pandemie sowie infolge zunehmend ambulant durchführbarer Behandlungen. Hinzu kommt ein bislang nicht praxisgerecht ausgestalteter Ausgleich für die gestiegenen Inflations- und Energiekosten. Aufgrund von Tarifverhandlungen sind weitere Kostensteigerungen zu erwarten. Um in dieser Situation weitere Insolvenzen und einen unkontrollierten, kalten Strukturwandel zu verhindern, ist ein kurzfristiges Vorschaltgesetz zur Krankenhausreform unverzichtbar, das mit pauschalen Finanzhilfen die Kliniken wirtschaftlich stabilisiert.

Für die weitere Ausgestaltung der Krankenhausreform schlägt der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) folgende Eckpunkte vor:

1.
Die Reform muss von der bestmöglichen Versorgung der Patient:innen aus gedacht werden. Zentrale Maßstäbe sind daher Qualität und Erreichbarkeit. Ziel der Reform muss es sein, regionale Versorgungsbedarfe optimal zu decken und so Versorgungssicherheit herzustellen. Grundbaustein für eine bedarfsgerechte und qualitätssteigernde Krankenhausplanung sollten Leistungsgruppen Leistungsgruppen sind ein Instrument der Krankenhausplanung, die Ländersache ist. Die Definition von Leistungsgruppen kann der Bund deshalb nur gemeinsam mit den Ländern vornehmen. Die Zahl und Ausgestaltung der Leistungsgruppen darf im Interesse der Praxistauglichkeit nicht zu kleinteilig sein. In Nordrhein-Westfalen wurde mit langem Vorlauf ein Konzept von 60 somatischen Leistungsgruppen erarbeitet. Daran sollte sich die Krankenhaus­reform orientieren. Zudem sind die bestehenden Anforderungen an die fachärztliche Weiterbildung zu berücksichtigen.

2.
In welchem Umfang und wie viele Krankenhäuser von den Ländern Versorgungsaufträge für die jeweilige Leistungsgruppe zugewiesen bekommen, entscheidet sich anhand des konkreten regionalen Versorgungsbedarfs. Über die Leistungsgruppen werden Strukturanpassungen eingeleitet, eine fachliche Schwerpunktbildung befördert und aufgrund höherer Fallzahlen die Qualität weiter verbessert. Gleichzeitig ist es notwendig, die Wahlfreiheit der Patient:innen und den Wettbewerb um eine höhere Versorgungsqualität sicherzustellen. Daher sollte auch aus Gründen der Versorgungssicherheit bundeseinheitlich vorgegeben werden, dass die Leistungsgruppen jeweils von mehr als einem Krankenhaus in angemessener Distanz angeboten werden. Neben dem Wettbewerb bleiben so auch die Aus- und Weiterbildung sowie Reservekapazitäten für die Notfallversorgung gewährleistet.

3.
Die Einführung bundeseinheitlicher Versorgungs-Level ist für die Krankenhausplanung weder erforderlich noch hilfreich. Sie würden eine weitgehende Umstrukturierung der bestehenden Kliniklandschaft erfordern und in Netzwerken gewachsene Maximalversorgungsstrukturen zerschlagen. Ihre Umsetzung würde somit hohe Umwandlungs- und Aufbaukosten erzeugen. Zudem bringt es für die Versorgungsqualität keinen Mehrwert, medizinisch nicht voneinander abhängige Fachgebiete an Megakliniken zu zentralisieren. Vielmehr droht, dass dort nicht auf allen Gebieten gleichmäßig in Qualitätssteigerungen investiert wird. Und längere Wege zum Arbeitsplatz könnten dazu führen, dass dringend benötigte Fachkräfte den Kliniken den Rücken kehren.

4.
Eine überregionale Koordination der Klinikversorgung durch Universitätsklinika ist nicht notwendig. Viele Kliniken arbeiten schon jetzt in Verbundstrukturen oder regionalen Netzwerken eng abgestimmt zusammen. Sinnvoll ist hingegen, die digitale Vernetzung zwischen den Krankenhäusern auszubauen, um so den telemedizinischen Austausch zu erleichtern und anhand individueller Beurteilungen beispielsweise über Weiterverlegungen zu entscheiden. Hierbei kommt es auf die besondere fachliche Expertise der zugeschalteten Abteilung an, die nicht zwingend an einer Uniklinik angesiedelt ist. In der Pandemie war die Zahl der Covid-19-Patient:innen phasenweise besonders hoch und schwer kalkulierbar. In solchen Krisenlagen ist eine Koordinierung der Kliniken vor Ort sowie überregional mit Hilfe des Kleeblattkonzepts nötig und möglich. In der Regelversorgung ist dies jedoch nicht sinnvoll. Ganz grundsätzlich sollte eine sinnvolle Aufgaben- und Ressourcenteilung zwischen Universitätsklinika mit Fokus auf die Forschung und besonders komplexe Behandlungssituation einerseits sowie den anderen Krankenhäusern für eine qualitativ hochwertige Regelversorgung andererseits angestrebt werden. Angesichts ihres breiten Aufgabenportfolios ist nicht zwingend davon auszugehen, dass Universitätsklinika auch in der Regelversorgung die höchste Qualität erbringen. Gute Forschung ist nicht überall gleich gute Versorgung.

5.
Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft wird Verschiebungen und Zusammenlegungen, an einigen Orten auch Schließungen erfordern. Hier muss die Politik ehrlich und transparent sein. Wo eine Standortschließung die sinnvollste Option ist, darf dies nicht durch eine Umwidmung zu einer ambulant-stationären Level1i-Einrichtung kaschiert werden. Wo es kein Krankenhaus mehr braucht, kann, aber muss nicht zwingend ein Gesundheitszentrum entstehen. Notwendig ist, klare Kriterien und Strukturmittel auch für ein Schließung bereitzustellen. Grundsätzlich gilt: Die von der Kommission vorgeschlagenen Level 1i-Einrichtungen sind keine Krankenhäuser mehr. Sie sind vielmehr neue Versorgungseinrichtungen mit einem Leistungsangebot, das Krankenhäuser ergänzen wird. Es ist ein Gebot der Kommunikationsklarheit, diesen Unterschied in der gesellschaftlichen Diskussion herauszuarbeiten. Level 1i-Einrichtungen werden eine neue, interdisziplinäre und erweiterte Form der ambulanten Versorgung darstellen. Hierfür müssen entsprechende Planungs- und Finanzierungsgrundlagen geschaffen werden, um diese neue Form der ambulanten Versorgung abbilden und abrechnen zu können.

6.
Die Pflege-Ausbildung muss auch künftig überall dort möglich sein, wo professionelle Pflege stattfindet. Nur so kann die Bundesregierung ihr gestecktes Ziel erreichen, die Ausbildungszahlen um zehn Prozent zu steigern. Eine starre Level-Einteilung gefährdet dieses Ziel, wenn sich kleine und mittlere Krankenhäuser als Träger der praktischen Pflegeausbildung zurückziehen müssten und ihre Ausbildungskapazitäten verloren gehen würden. Jede fünfte Pflegefachperson wird in einer katholischen Einrichtung ausgebildet. Damit das so bleibt, brauchen kleine und mittlere Krankenhäuser eine Perspektive.

7.
Krankenhausleistungen sind ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, genauso wie beispielsweise der Rettungsdienst oder die Feuerwehr. Ihre Vorhaltung muss flächendeckend und bedarfsgerecht sichergestellt sein, unabhängig davon, wie oft sie tatsächlich abgerufen werden. Daher setzen wir uns für eine pauschale Finanzierung der notwendigen Vorhaltekosten in den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern ein. Diese Vorhaltekosten sind krankenhausindividuell sowie anhand der anfallenden Kosten, zumindest für eine Basisvorhaltung in allen Kliniken, zu ermitteln. Zudem müssen die Vorhaltekosten die Personalkosten für ein rund um die Uhr verfügbares Leistungsangebot decken. Eine rein pauschale, prozentuale Herausnahme eines abstrakten Anteils aus dem DRG-Erlösvolumen würde das aktuelle Finanzierungsproblem der Krankenhäuser nicht lösen, den ökonomischen Druck auf die Kliniken erhöhen und letztlich nur zu einer Gewinner- und Verliererdiskussion führen. Für die katholischen Krankenhäuser, die einen erheblichen Anteil der Ausbildungsarbeit in Gesundheitsberufen leisten, ist zudem wichtig, dass die Vorhaltefinanzierung die Kosten für die Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals deckt. Auch klinisch-ambulante Leistungen in Krankenhäusern müssen auskömmlich finanziert werden.

8.
Überall in Deutschland sollten die Menschen auf eine resiliente Krankenhausstruktur vertrauen können, deren Stärke in der Dezentralität liegt. Über die Bildung fachlicher Schwerpunkte werden für die jeweilige Leistungsgruppe hohe Fallzahlen erreicht. Durch diese Dezentralität ist sichergestellt, dass auch bei regionalen Ausfällen (z.B. Cyberattacken, Brand, Klimafolgen wie Hochwasser oder Pandemie) eine Versorgung aufrechterhalten werden kann.

9.
Bundeseinheitliche Vorgaben zur Krankenhausplanung sind so auszugestalten, dass der Grundsatz der Trägervielfalt bei ihrer Anwendung gewahrt bleibt. Nicht ohne Grund wird im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) die Vielfalt der Krankenhausträger herausgestellt und vorgegeben, dass nach Maßgabe des Landesrechts insbesondere die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten ist. Die Trägervielfalt sorgt in der Versorgungspraxis für einen gesunden Wettbewerb um Qualität und Innovation. Zudem ermöglicht sie das Angebot besonderer wertebasierter Versorgungskonzepte, wie sie gerade in den kirchlichen Einrichtungen üblich sind.

10.
Fachkliniken
ohne Notfallstufe übernehmen wichtige elektive Versorgungsleistungen. Sie müssen im Rahmen der Krankenhausplanung weiterhin berücksichtigt werden dürfen, indem ihnen Leistungsgruppen und damit ein bestimmter Versorgungsauftrag zugewiesen werden kann. Auf die dort vorgehaltene Expertise können wir nicht verzichten.

11.
Die psychiatrische Versorgung kann nicht Bestandteil der geplanten Krankenhausreform sein. Ihre Strukturen unterscheiden sich grundlegend von der akutstationären Versorgung. So arbeitet die Psychiatrie schon heute gemeindenah vernetzt und sektorenübergreifend. Zudem werden in Modellprojekten bereits Regionalbudgets erprobt. Die Ausgangssituation und die Herausforderungen sind hier völlig anderer Natur als in der somatischen Krankenhauslandschaft.

12.
Die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen versinken in Bürokratie. So sind Pflegekräfte mittlerweile jeden Tag drei Stunden mit Dokumentationspflichten beschäftigt. Diese Zeit fehlt bei der Versorgung und für Zuwendung zu den Patient:innen. Auch die Budgetverhandlungen vor Ort werden durch kleinteilige Anforderungen und Nachweispflichten ausgebremst. Die Bundesregierung muss ihr angekündigtes Maßnahmenpaket zur Entbürokratisierung nun schnellstens auf den Weg bringen. Zudem muss die Reform der Krankenhausfinanzierung eine deutliche Vereinfachung des Abrechnungssystems mit sich bringen. Datensammelwut und zu viele Regularien vermindern die Transparenz, anstatt sie zu erhöhen.

20. April 2023 | Download im PDF-Format

Katholischer Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) e. V.

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