Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V.

Kirchliche Grundordnung: Großer Fortschritt mit Nachbesserungsbedarf

10.08.2022 – Seit Ende Mai liegt der Entwurf einer neuen Grundordnung für den Dienst in katholischen Einrichtungen vor und wird diskutiert. Voraussichtlich bis Ende des Jahres soll das neue Dokument in Kraft treten.

Die kkvd-Vorstandsmitglieder Ingo Morell, Ansgar Veer und Dirk Albrecht beantworten für “kkvd aktuell” drei Fragen zur neuen Grundordnung. Sie stellen den Fortschritt heraus und schlagen vor, Passagen zum Kirchenaustritt als Kündigungsgrund, zur Koalitionsfreiheit und zu den ehrenamtlich Tätigen nachzubessern.

kkvd aktuell: Was bedeutet der Entwurf der neuen Grundordnung für die Mitarbeitenden in kirchlichen Einrichtungen?

Dirk Albrecht: „Das Dokument ist ein großer Fortschritt. Er erkennt ausdrücklich an, dass unsere Dienstgemeinschaften aus Christen, andersgläubigen und religiös ungebundenen Mitarbeitenden bestehen. Vielfalt wird als Bereicherung gesehen und es wird klargestellt, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Identität oder Lebensform unsere Werte und unseren Dienst repräsentieren können. Das ist ein wichtiges Signal, denn diese Vielfalt wird in den katholischen Krankenhäusern längst gelebt.“

Ansgar Veer: „Zudem fallen die Loyalitätspflichten zur persönlichen Lebensführung weg. Das ist überfällig. Bislang können nach Abwägung der Umstände eine nicht anerkannte Zivilehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft noch ein Kündigungsgrund sein.“

kkvd aktuell: Der Austritt aus der katholischen Kirche soll aber weiterhin als Kündigungsgrund gelten.

Ingo Morell: „Im Vordergrund steht, dass unsere Einrichtungen christliche Werte leben. Auch das hebt der Entwurf hervor. Doch dass auch weiterhin der Austritt aus der katholischen Kirche mit wenigen Ausnahmen eine Beschäftigung ausschließen soll, ist aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig. Die Gründe für einen Kirchenaustritt sind sehr individuell und haben oft wenig mit einer Abkehr vom Glauben oder unseren christlichen Werten zu tun. In persönlichen Gesprächen wird immer wieder deutlich, dass für Mitarbeitende auch die aktuelle Situation der Kirche ein Austrittsgrund ist. Daher ist es wichtig, den Einzelfall zu betrachten. Gleichzeitig deuten immer mehr Gerichtsentscheide darauf hin, dass eine solche Kündigung arbeitsrechtlich zweifelhaft ist, wenn die Kirchenmitgliedschaft für die Berufsausübung keine entscheidende Anforderung darstellt.“

Ansgar Veer: „Für die Erfüllung ihrer Aufgaben werden unsere Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in den kommenden Jahren immer mehr Menschen mit großer Fachexpertise und hoher Sozialkompetenz benötigen. Können und wollen wir es uns tatsächlich leisten, auf fachlich, menschlich und mit ihren Werten passende Mitarbeitende zu verzichten, nur weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sind? Ich denke nicht.“

kkvd aktuell: Welchen Änderungsbedarf gibt es noch an der Vorlage?

Ingo Morell: „Der Entwurf enthält viel Gutes. Aber es gibt noch weitere Details, die nachgebessert werden können: So wird derzeit nur den Mitarbeitenden die Koalitionsfreiheit ausdrücklich zugestanden. Hier sollten auch die Dienstgeber erwähnt werden, zumal sie in der Praxis längst davon Gebrauch machen.“

Dirk Albrecht: „Außerdem muss klargestellt werden, dass für ehrenamtliche Tätige die arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Grundordnung nicht gelten. Sie sind unverzichtbare Stützen unseres Dienstes, aber sie sind keine Angestellten. Es ist wichtig, dass die Grundordnung glaubwürdig widerspiegelt, was praktisch gelebt werden kann. Denn dann gelingt es uns auch, die Mitarbeitenden in unseren Einrichtungen dafür zu gewinnen.“

Ingo Morell ist Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands e. V. (kkvd) und Geschäftsführer der Maria Theresia Bonzel-Stiftung Olpe

Ansgar Veer ist stellvertretender kkvd-Vorsitzender und Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen

Dr. med. Dirk Albrecht ist kkvd-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Geschäftsführung Contilia GmbH Essen

Das Interview ist nicht Teil der Print-Auflage von “kkvd aktuell”, sondern hier nur online verfügbar.