Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V.

Kein Verschieben mehr!

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (Bild: DPR)

26.07.2021 – Von Christine Vogler | Zentrales Ziel des Bundesministeriums für Gesundheit für diese Legislaturperiode war es, eine Verbesserung der Situation der Pflegenden zu erreichen: über mehr finanzierte Stellen, mehr Personal, mehr Auszubildende, mehr Lohn, mehr Verantwortung und nicht zuletzt: eine bessere Ausbildung. Es gab viele Initiativen und Gesetzgebungsverfahren, wie die Konzertierte Aktion Pflege (KAP), das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, die Pflegereform.

Diese Aufmerksamkeit für das Thema Pflege und Pflegeversorgung war wichtig, da es in einer „alternden Bevölkerung“ zunehmend ein zentrales Thema der Daseinsfürsorge wird. Der Fachkräftemangel und die hohe Fluktuation aus dem Pflegeberuf sind zentrale Probleme, für die es nachhaltige Lösungen geben muss. Die zentrale Fragestellung ist dabei: Wieviel Pflegepersonal wird benötigt, um den aktuellen und auch zukünftigen Anforderungen an die Personalausstattung, die sich am pflegerischen Bedarf orientieren muss, zu decken? So wie es ist, kann es nicht bleiben.

Die KAP beauftragte die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Verdi und den Deutschen Pflegerat aufgrund der Dringlichkeit einer Verbesserung der Situation, innerhalb von sechs Monaten eine „Interimslösung“ zu entwickeln. Im Dezember 2019 wurde dabei – in Übererfüllung des Auftrags – eine auf Basis vielfältiger wissenschaftlicher Vorarbeiten aktualisierte „Pflege-Personalregelung 2.0“ (PPR 2.0) an das Bundesgesundheitsministerium übergeben.

Verlässliche Arbeitsbedingungen durch Pflegepersonalbedarfsbemessung

Die PPR 2.0 wurde wissenschaftlich entwickelt und unabhängig von einer führenden pflegewissenschaftlichen Einrichtung – dem Institut der Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Martin- Luther-Universität Halle/Saale – in 44 Einrichtungen getestet und als Basis für eine Weiterentwicklung für tragfähig befunden. Die Institutsleiterin Gabriele Mayer ist Mitglied im Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsministeriums. Mehr Transparenz in der Zusammenarbeit mit dem Ministerium geht nicht.

Arbeitgeber, Gewerkschaft und Deutscher Pflegerat (als berufsständische Vertretung der Pflegenden) haben sich aus den Erfahrungen aus dem Pretest und dem hohen Handlungsdruck für eine rasche Einführung der PPR 2.0 eingesetzt und die begleitende wissenschaftliche Weiterentwicklung vorgeschlagen und vorbereitet. Man sollte nun meinen, dass hier das Bundesgesundheitsministerium über diese fristgerechte Umsetzung des KAP-Auftrages erfreut sei und eine rasche Lösung umsetze. Weit gefehlt!

Es folgten mehr als ein Jahr behördliche Prüfung dieses Vorschlags und nun die Eröffnung einer fragwürdigen Perspektive im Rahmen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG), dass eine Neuentwicklung durch die Selbstverwaltung beauftragt werden soll. Dieses Instrument soll dann ab 2024 einsatzfähig sein. Mit Blick auf die Entwicklungszeiten bisheriger Instrumente ist der Zeitplan im GVWG als ambitioniert zu betrachten. Ob letztendlich ein anderes – wie auch immer gestaltetes – Instrument besser als die PPR 2.0 sein wird, bleibt zudem abzuwarten.

Aus unserer Sicht wird hier eine Chance vertan, und die entscheidenden Maßnahmen für verbesserte Rahmenbedingungen für Pflegefachpersonen im Krankenhaus werden grundlos vertagt. So lange wir den Bedarf an Pflegepersonalstellen nicht bestimmen, bleiben wir beim Thema Personalausstattung im Blindflug. Noch weitere drei Jahre in dieser Situation können wir seitens des Deutschen Pflegerates nicht tolerieren. Unseren Vorschlag haben wir gemeinsam mit unseren Partnern auf den Tisch gelegt. Die PPR 2.0 muss sofort als Interimslosung umgesetzt werden.

Christine Vogler ist Pflege-Pädagogin und seit Juni 2021 neue Präsidentin des Deutschen Pflegerates

Dieser Kommentar erschien in der Ausgabe 02/2021 des Magazins “kkvd aktuell”.